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13.05.2018, 11:13 Uhr
LR 120
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Hallo Christoph,
das fand ich auch schon immer bemerkenswert, dass dieses Krankonzept ein eigentlich nur in Italien überhaupt sich durchsetzen konnte und niemals den Sprung über den Alpenbogen geschafft hat.
Genauso bemerkenswert ist aber auch, dass der Untendreher mit Nadelausleger, der in Deutschland zu der Zeit genau das Gegenstück für den gleichen Einsatzbereich darstellte, in Italien nie Fuß fassen konnte. Weder im Programm der heimischen Hersteller, noch als Importgerät. Zum einen ist dies sicherlich damit begründet, dass der Nadelauslegerkran einen toten Bereich rund um den Turm besaß, der nur mittels Verfahrbarkeit auf einem Platz einnehmenden Schienenfahrwerk bestrichen werden kann. Und Platz, haben wir gesehen, ist auf vielen italienischen Baustellen nunmal schon immer Mangelware gewesen. Selbst in der padanischen Tiefebene sind Stadtzentren und Siedlungskerne für so ein Krankonzept zu dicht bebaut, vom übrigen, gebirgigen Italien einmal ganz abgesehen. Noch hinzu kommt, dass der deutsche Untendreher mit nadelausleger ein klares Produkt des akuten Bedarfs durch den Bauboom der direkten Nachkriegszeit und der Wirtschaftswunderjahre darstellt. In Italien setzte das Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit erst ein paar Jahre später als in Deutschland ein, in dieser Zeit war in Frankreich der schon lange bekannte Katzausleger in einfacher montierbare Geräte integriert worden, welche den italienischen Konstrukteuren nun als Vorlagen dienen konnten.
Die italienischen Kranhersteller kann man eigentlich von ihrem Unternehmenshintergrund in 3 große Gruppen einteilen: - Alteingesessene Maschinenbaufirmen, teilweise schon aus dem 19. Jhdt., die bislang die bis dato vorherrschenden Wirtschaftszweige, sprich die Landwirtschaft und die Textilindustrie belieferten und in den 1950er-Jahren die Turmdrehkranproduktion aufnahmen, wie z.B. FM-Gru, Ferro oder Raimondi
-Neueinsteiger, die dem günstigen Wirtschaftsklima folgend, in den Boomjahren, meist um einen Konstrukteur herum,entstanden sind und sich von Anfang an, teilweise neben artverwandten Produkten, vornehmlich auf die Herstellung von Turmdrehkranen konzentrierten. Beispiele sind Comedil oder Benedini.
- die dritte Gruppe bilden Unternehmen, die schon länger am Markt bestanden, und zwar als Lieferanten des Bauhandwerks, für das sie mehr oder weniger standardisierte Produkte wie Schubkarren, Mischmaschinen, Maurerböcke, Schalungen, Stützen oder Gerüstteile fertigten. Und in dieses Portfolio passt jetzt auch ein Turmdrehkran vorzüglich hinein. Und so verwundert es überhaupt nicht, dass gerade genau solche Anbieter wie z.B. San Marco oder Vicario jetzt bei diesem Krankonzept ganz vorne dabei waren. Stahlbau und Metallverarbeitung waren schon vorher Kerngeschäft, der Absatzmarkt schon erschlossen, die Konstruktion im Grunde simpel, der Drehkranz mit Riemenantrieb konnte z.B. 1zu1 aus der Mischmaschine übernommen werden. Das Endprodukt war günstig, und damit auch für das kleine, familiär geführte Bauunternehmen, welche den Hauptabsatzmarkt darstellten, finanzierbar.
Tja, nur warum hat sich dieses Konzept dann nicht anderweitig durchgesetzt? Selbst in der Schweiz, wo eigentlich alle größeren ital. Marken vertreten waren, kamen diese Krane nicht über das italienisch geprägte Tessin hinaus.
Einerseits waren die Märkte, auch innerhalb Europas, noch stärker national beschränkt. Der gemeinsame EU-Binnenmarkt in weter Ferne, die EWG bzw. ihr Vorläufer, die Montanunion, steckte noch in den Kinderschuhen. Die italienischen Herstellerbetriebe waren aufgrund des starken Heimatmarktes auch nicht auf Exporttätigkeiten angewiesen. Seit den 1960er- Jahren wurden italienische Turmdrehkrane nach Deutschland importiert, hier ging es aber vorrangig um größere Katzausleger-Obendreher, für die es Bedarf gab, weil diese damals deutlich moderner waren, als die Pendants der hiesigen Hersteller. Edilmac sei hier genannt, später noch Comedil und Simma, mit deren Obendrehern hiesige, auf Untendreher spezialisierte Hersteller wie Reich und König ihr Programm abrundeten. In diese Zeit fiel auch, und zwar parallel in Deutschland, Italien und Frankreich die Entwicklung des Untendrehers mit Katzausleger, wie wir ihn heute kennen, der in Deutschland einfach aus dem bereits vorhandenen Nadelauslegerkran (und eben nicht aus dem Obendreher) abgeleitet wurde und dabei die gewünschten Vorteile wie Entfall des toten Bereichs und horizontalen Lastweg bot.
Und damit war der Markt dann weitgehend abgedeckt.
Gruß, Markus |