009 — Direktlink
20.09.2012, 17:13 Uhr
koch87
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Zuerst mal Danke für Euer Interesse an dem Thema.
Ich kann ja an dieser Stelle noch etwas aus dem Nähkästchen plaudern, weil dafür im Buch ohnehin kein Platz sein wird.
Warum Libyen?
In den 90er Jahren war das Land durch das Embargo total isoliert. Gaddafi kam dann auf die Idee, die scharfen Einreisebestimmungen zu lockern, um Besucher ins Land zu lassen, die sollten die Gastfreundschaft der Libyer erfahren können. Anfang der 90er tauchten vermehrt Reise- und Erfahrungsberichte auf, 1996 war ich dann auch dabei. Libyen ist ja nicht weit entfernt, von Italien mit der Fähre nach Tunesien, dann noch ein paar Stunden Landstrasse bis zur Grenze. Die Einreise mit dem Auto war keine große Sache, das Visum zu haben war wichtig, dann Versicherung abschließen und Nummernschild bezahlen.
Libyen ist riesig, etwa fünfmal so groß wie Deutschland. Alle Verkehrszeichen sind arabisch beschriftet. Benzin kostete damals etwa 10 Pfennig pro Liter.
An den ersten drei Tagen meiner ersten Reise fotografierte ich viel, war ja alles so einfach! Am vierten Tag, früh am Morgen, kam mir ein alter Magirus entgegen. Ich stoppte am Straßenrand und machte schnell ein Foto. Durch den Sucher sah ich dann auch das Auto der Militärpolizei, direkt hinter dem LKW, leider zu spät! Der zivile LKW transportierte militärische Sachen.
Die Reise war damit gelaufen.
Zwei Wochen später durfte ich wieder gehen, mein Auto bekam ich nicht sofort zurück, das dauerte noch weitere zwei Tage, die Filme wurden alle kassiert. Die Fähre hatte ich zwecks Rückfahrt natürlich verpasst, meinen Urlaub in Deutschland dadurch unerlaubt überzogen, das war dann der Grund zur vorerst fristlosen Kündigung (in der Nachbetrachtung ein Glücksfall).
Aber ich hatte Blut geleckt!
Entgegen aller Beschwörungen: Ein knappes Jahr später stand ich wieder in Libyen, nun mit Begleiter. Beim Fotografieren war ich viel vorsichtiger. Alles lief glatt! Libyen war nie ein Touristenland. Es gab Straßensperren von Polizei und Militär, man wurde überall registriert. Anlagen in den Ölfeldern wurden von bewaffneten Sicherheitsdiensten überwacht. Auf der Straße und in der Wüste gab es aber nur selten Probleme.
Ein Jahr später die dritte Tour, zwar mit grenzwertigen Erlebnissen aber immerhin auch diesmal ohne Knastaufenthalt.
Nach dieser Tour hatte ich vorerst genug erlebt.
Im Jahre 2004 bekam ich wieder Lust, also ging es wieder nach Libyen. Die Situation dort hatte sich verändert. Der 11.Sep war noch frisch, Islamisten waren plötzlich ein Thema, das Embargo war zwischenzeitlich aufgehoben. Eine Einreise war zwar möglich, allerdings nur noch mit libyschen Begleiter, also einem staatlichen Aufpasser gegen Bezahlung. Reisen von Einzelpersonen waren eigentlich nicht erlaubt, aber es gab Schlupflöcher. Mit Aufpasser ging es dann also drei Wochen durchs Land. Es lief ganz gut, allerdings mit Einschränkungen. Ich konnte keine Sperrgebiete mehr befahren und mich im Notfall als verirrten Tourist ausgeben. Beim Besuch einer Ölfirma in der Wüste, die hatten zwei wunderbare Mercedes 4050AS im Stall, gab es heftigen Stress. Das Auto wurde vom Sicherheitsdienst auf den Kopf gestellt, nach stundenlanger Diskussion mussten wir erfolglos die Gegend verlassen, immerhin ohne Ärger mit Polizei und Militär. Mein Begleiter war auch völlig fertig.
2008 war dann mein letzter Besuch in Libyen, die Vorschriften waren verschärft worden, ein staatlicher Aufpasser war von der ersten bis zur letzten Minute an meiner Seite. Mobiltelefone waren inzwischen Standard, täglich wurde so an offizielle Stellen berichtet. Der Begleiter war schwierig, aber für drei Wochen gebucht. Die komplette Reiseroute war wie immer zuvor genehmigt worden, alles war ziemlich unflexibel. Aber es hat sich dennoch gelohnt. Immerhin war der Aufpasser auch meine Versicherung, dass ich nichts Unerlaubtes tue.
Es gab auf meinen Libyen-Touren natürlich auch interessante Erlebnisse. 1998 besuchte ich ein großes Camp von Halliburton, trotz Embargo gab es dort interessante neue Mercedes. Ich durfte mich frei bewegen und alles fotografieren! 2004, nach Ende des Embargos, besuchte ich wieder dieses Camp. Der neue Manager rastete fast aus, als ich wegen einer Fotoerlaubnis fragte!
Oder 1998 der Versuch, einen seltenen Pacific-LKW zu finden. Ich fuhr einfach in ein Ölfeld, hielt auf den Wachposten zu. Spät erst erkannte ich, dass der Typ auch bewaffnet war, aber es gab da kein Zurück mehr. Ich zeigte stolz mein Foto dieses LKW, er versuchte den Firmennamen auf der Tür zu lesen und war sich dann ziemlich sicher: Die Firma sei nur wenige Kilometer entfernt! Also stieg er mit seiner Kalaschnikow wie selbstverständlich mit in meinen Bus, wir fuhren querfeldein einige Kilometer zu einem anderen Camp. Da standen zwar keine Pacific, aber einige große Kenworth und Mercedes. Der kanadische Manager hatte dort keine Schmerzen, mir das Fotografieren zu erlauben, also zog ich die Kamera und machte meine Bilder. Die Augen meines bewaffneten Begleiters wurden immer größer! Dann fragte er nach meinem Desert-Pass, dem Passierschein der staatlichen Ölgesellschaft. Sowas hatte ich natürlich nicht, ich war Tourist. Dem Typ blieb die Spucke weg! Immerhin hatte er mich in dieses Gebiet gebracht! Der Kanadische Chef schlichtete die Situation, ging ursprünglich aber auch davon aus, dass ich ein autorisierter Besucher sei. Der Wachmann war nur schwer zu überzeugen, war dann aber doch froh, dass ich ihn wieder zurück zu seiner Basis fuhr und er nicht laufen musste. Ich bedankte mich mehrfach und wischte mir den Angstschweiß von der Stirn.
Erst im Nachhinein konnte ich darüber schmunzeln.
Übrigens: Meine Pacific-Zugmaschine fand ich zwei Tage später! Damals gab es davon nur zwei Fahrzeuge in Libyen. Mit 100 km/h ging es gerade durch die Wüste, geteerte Hauptstrasse, kein Verkehr. Irgendwo, mitten im Nirgendwo, tauchte links etwas Rotes am Horizont auf, es kam näher. Ein LKW näherte sich auf einer Wüstenpiste der Hauptstrasse. Das Fahrzeug erreichte zeitgleich mit mir die Kreuzung beider Wege. Der LKW stoppte und gab mir die Vorfahrt. So fand ich meinen ersten Pacific.
Eines Abends saß ich in einer Runde LKW-Fahrer und erzählte mit Händen und Füßen von meinem Interesse. Ich zeigte ein Bild, wie ich vor einer Titan-Zugmaschine stehe. Ein Fahrer tippte auf das Bild und erklärte mir, dass er solch eine Zugmaschine kennt. Nun sehen fast alle NG-Mercedes in Libyen wie Titan-Zugmaschinen aus, mit Rammschutz und 14.00R20er Reifen, ich gab nicht viel auf diese Information. Als er dann vom V12-Motor sprach, bekam ich spitze Ohren! Der Typ erzählt keine Geschichten! Am nächsten Morgen wollte er mir die Zugmaschine zeigen. Es ging in eine Nebenstrasse, ein graues Blechtor wurde geöffnet und ich machte mir Sekunden später fast in die Hose! Da stand nicht nur eine Titan, da standen gleich zwei! Die NG-Titan-Zugmaschine auf übergroßen Sandreifen, daneben eine große Haubenzugmaschine mit Satteltieflader. Wenn das kein Glücksfall war!
Zur Einstimmung auf dieses Thema ein paar Videolinks, ganz normale Lastwagen:
http://www.youtube.com/watch?v=90tuvuAJKYA
http://www.youtube.com/watch?v=TQSYtnLLCO0&feature=related Dieser Post wurde am 20.09.2012 um 19:12 Uhr von koch87 editiert. |