009 — Direktlink
04.04.2009, 22:27 Uhr
Hendrik
Moderator
|
Zitat: | Feile postete Es sollen mittels der Software CornerWin und Trucksim vorher real abgefahrene Kreisfahrten simuliert werden und dann eine Aussage zur Vergleichbarkeit gemacht werden. Also kann man mit den Programmen eine Kurvenfahrt genau nachvollziehen ohne das man diese im realen Duchführen muss. Dazu sollte ich dann noch Vergleichsrechnungen durchführen, was meiner Meinung nach nicht ganz so einfach ist, da die Ackermannbeziehung hier nie und nimmer zutrifft. Ich habe bei solchen Zügen ja jede Menge Schlupf drin. |
Prizipiell und abstrakt gesprochen kannst Du Dir bei jedem Schwertransport, den Du im Computer "modellierst", erstmal ca. 80% aller Achsen wegdenken.
Die Achsen, die - in der Theorie! - den Kurvenverlauf eines Schwertransporters einzig und allein festlegen, ist die erste Achse des gesamten Gespanns (i.d.R die Lenkachse der Zugmaschine), dann der Mittelpunkt der Antriebsachse(n) der Zugmaschine, sowie die allerletzte Achse des gesamten Gespanns (letzte Aufliegerachse). Die Parameter, die neben diesen 3 Achsen den Kurvenverlauf bestimmen, sind die Länge von der Vorderachse bis zur Sattelkupplung, die Länge von der Sattelkupplung bis zur allerletzten Achse, sowie der Lenkwinkel der Vorderachse. Der Lenkwinkel der allerletzten Achse ist eine (herstellerabhängige!) Funktion des Winkels zwischen Schwanenhals und Zugmaschine, und dieser Winkel ist eine Funktion des Lenkwinkels an der Vorderachse.
Hört sich jetzt etwas stressig an, ist aber realtiv easy in einem linearen, sogenannten "Einspurmodell" zu simulieren. Dabei wird die Fahrzeugbreite ersteinmal vernachlässig (natürlich spielt die Breite für das Kurvenlaufverhalten auch eine Rolle, das kann man aber später berücksichtigen). Alle weiteren Achsen sind erstmal nur Kosmetik, d.h. sie werden nur benötigt, um die großen Gewichte auf der Straße gleichmäßig zu verteilen, haben aber (zumindest in der Theorie) auf das Gesamt-Lenkverhalten keinen Einfluß, da jeder Fahrzeughersteller (zumindest heutztage) bemüht ist, den Reifenverschleiß zu minimieren und die Spurtreue zu maximieren, d.h. es wird bei einem vielachsigen Fahrzeug mit Allradlenkung zumindest versucht, die Lenkgeometreie (Lenktrapeze, Ackermannbedingung, etc.) für sämtliche Achsen so weit wie möglich einzuhalten.
Nun zur Praxis: 1) Das exakte Einhalten der Ackermann-Bedingung sowie das exakte Festlegen der Lenktrapeze stößt aufgrund der "Variabilität" von Schwertransporten an seine Grenzen: Da Schwertransporte zumeist variabel in der Länge sind (unterschiedlich langes Baggerbett, Teletrailer, etc.), können die Lenktrapeze und die Ackermann-Bedingung nicht für jeden "Betriebspunkt" eindeutig festgelegt werden. Dadurch ergeben sich stets Lenkfehler, wenn auch nur geringer Natur. 2) Wesentlich größere Lenkfehler ergeben sich, wenn der Einschlagwinkel der Achsen am Endanschlag ist, jedoch auch schon kurz davor: Die Winkeländerung zwischen Zugmaschine und Schwanenhals wird nämlich nie 1:1 (proportional/linear) auf die Achsen der Kombination/Module übertragen, sondern stets gemäß Winkelfunktionen, da der "Mitnehmer" (der in die Sattelplatte der Zugmaschine eingreift) eine Kreisbahn beim Drehen beschreibt, und in Abhängigkeit dieser Kreisbahn wwerden die Hydraulikzylinder für die Lenkung aktiviert. Das ergibt Sinus/Cosinus Funktionen. Der Extremfall ist, daß die Zugmaschine 90° und mehr zum Auflieger/Schwanenhals eingelenkt ist, aber die Achsen des Trailers/der Kombination bleiben natürlich bei ihren maximal möglichen Einschlagwinkeln, die weit unterhalb von 90° liegen (Prospekte der einzelnen Hersteller studieren!). In dieser Situation stimmt naturgemäß überhaupt nichts mehr, und das Lenkverhalten in so einer Situation ist nicht mehr vorhersehbar (hängt dann sehr stark von den einzelnen Achslasten und Schräglaufwinkeln an den einzelnen Rädern ab)
Das ist jetzt supertheoretisch, und deswegen solltest Du wirklich dringend Stephans Ratschlag (vorhergehender post) berücksichtigen und unter ein echtes Fahrzeug kriechen, sämtliche Geometrien mal ausmessen (mit Zollstock), und Dir das dann zuhause gründlich aufzeichnen.
Aber mal ganz am Rande: Ein recht häufiger Lenkfehler, der bei Kurvenfahrt entstehen kann, ist der daß die Zugmaschine über die Vorderachse "hinausschiebt". Dieses um so mehr, je weniger Last auf der Vorderachse ist, je kürzer der Radstand der Zugmaschine, und je höher die Sattellast auf den (zu allermeist) doppelten Antriebsachsen. Eine weitere Lenkachse (heute zumeist in Form einer belasteten Vorlauflenkachse) hilft wieder, das "Hinausschieben" zu reduzieren. Unterschiedlicher Straßenbelag (unterschiedliche µ-Werte an den Rädern) kann eine Schwerlastzugmaschine allerdings auch schon vollkommen aus der Bahn werfen, d.h., der Lenkwinkel, der an der Vorderachse durch den Fahrer eingestellt wird, gibt ganz und gar nicht den gewünschten Kurvenverlauf vor.
gruß hendrik |