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15.09.2014, 13:48 Uhr
Menzitowoc
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Hallo,
wo wir gerade bei den verschiedenen Schreitwerken von Walking Draglines sind, sollte mal daran erinnert werden, dass sich in diesem Jahr die Patenterteilung zur Erfindung des 1. Schreitwerkes von Oscar Martinson zum 100. mal jährt (US-Patent Nr. 1101460; eingereicht 2.4.1913; erteilt und veröffentlicht 23.6. 1914)
Oscar Martinson war Ingenieur beim Baggerhersteller Monighan Machine Co. aus Chicago, MI, USA und hat das erste Schreitwerk für solche Maschinen entwickelt und die Geräte mit diesem Schreitwerk haben sich sehr erfolgreich verkauft.
Allerdings besteht die Genialität dieser Erfindung nicht im Exzenterschreitwerk selber, sondern in der Entwicklung des Baggerkonzeptes und der Bewegungsform selber. Um dies richtig würdigen zu können, muss man sich vor Augen führen, wie solche Schleppschaufelbagger sich früher bewegten. Viele Großgeräte für die Gewinnungsindustrie und Kanalbaustellen hatten damals gar keine Bewegungsorgane, sondern bestanden nur aus einem bewegungslosen Untergestell, welches auf Holzrollen gerollt wurde – wie die alten Ägypter schon ihre Steinquader zur Pyramidenbaustelle gezogen hatten. Damit das ganze nicht im weichen Baustellengrund einsank, mussten große Baggermatratzen untergelegt werden. Der Bagger zog sich dann über den temporär verankerten Schleppkübel mit dem Schleppsein vor. Die Holzwalzen mussten von Hand nach vorne getragen werden und die Baggermatrazen legte sich der Bagger selber nach vorne. Alles in Allem eine wahnsinnige Quälerei -> auf einer Baustelle am Eaglewood Dam in Miami ein solcher Skid and Roller Schleppkübelbagger im Mai 1920. Ein weitere Bagger dieses Unterwagentypus auf der Baustelle in Miamisburg East Side im Juni 1920.
Besser ging es dann mit auslegten Gleisrosten und Schienenradsätzen. Entweder antriebslos – dann erfolgte der Vortrieb wieder mit dem Schleppseil – oder mit umständlichen Kettenantrieb vom Oberwagen durchs Drehwerk zu den Drehgestellsätzen. Mit viel Aufwand musste immer ein Gleissystem in ausreichender Qualität angelegt werden. Da die Gleissysteme nur so lang wie nötig gebaut wurden, konnten die Geräte auch nicht mal eben so verlegt werden – z.B. in Notsituationen bei Überflutungen – sondern waren eigentlich semistationär. Und wenn sie mal vom Gleis rutschten, war guter Rat auch teuer.
Auch gab es schon Ansätze von Raupenfahrwerken in Form z.B. dieses Marion Baggers (Bild von 1921). Allerdingt blieb das hohe Gewicht auf wenig tragfähigem Boden der Großmaschinen ein gewaltiges Problem, welches immer Schwierigkeiten bereitete.
Die Firma Monighan baute vor Martinsons Erfindung bis 1913 auch solche Draglines auf „Skid and Rollers“.
Das Radikale an Martinson´s Erfindung ist, das er den Baggeraufbau und die Bewegung komplett neu gedacht hat:
1. Die wenig tragfähigen Böden auf den Baustellen und Tagebauten erfordern eine möglichst große Standfläche -> Martinson stellt die Dragline einfach auf eine ausreichend große Platte!
2. Draglines sind von ihrer Arbeitsweise Standbagger, die sich beim Füllen des Grabgefäßes nicht bewegen -> Martinson benötigt also nur Bewegungsorgane, die in den Arbeitspausen aktivierbar sein müssen.
3. Draglines arbeiten vom Prinzip her auf sich zu und müssen mit Arbeitsfortschritt rückwärts von der Abbaukante wegbewegen -> Martinson benötigt also nur eine Bewegungsrichtung, eben rückwärts.
4. Weil die Ortsveränderung nur in den Arbeitspausen erfolgt, kann man die vorhandene technischen Einrichtung der Dragline auch für die Bewegung nutzen ->Martinson nutzt das eh vorhandene Drehwerk für die Lenkbewegung. Das Baggerheck wird mit dem Drehwerk einfach in die Bewegungsrichtung gedreht.
5. Wenn man nun noch bereit ist, bei der Bewegung zwei Phasen zu akzeptieren – lineare Bewegung und Richtungsänderung – ist man auch schon bei der Diskontinuierlichen Schreitbewegung.
6. Für einen sicheren Stand der Dragline beim Bewegen benötigt man entweder eine große Platte (Grabzustand) oder eine statisch bestimmte Dreipunktlagerung -> Martinson nutzt als dritten Lagerpunkt – neben den beiden Schreitfüßen – die eh vorhandene Grundplatte als dritten Stützpunkt. Es wird somit nur ein Schreitwerk mit zwei zusätzlichen Stützpunkten benötigt.
Das alles zusammengenommen führt dazu, die Antriebsmechanik für die Dragline richtungsfest am Oberwagen anzubringen, denn gelenkt wird ja durch Oberwagendrehen und bewegt wird immer rückwärts. Außerdem kann dann der Unterwagen vollständig frei von mechanischen Antriebsorgangen bleiben und wie bei Punkt 1 geschildert zur Platte vereinfacht werden.
Nach den obigen Vorüberlegungen und Festlegungen ist jedoch ein weiterer genialer Schachzug von Martinson die eigentliche Festlegung des Schreitvorganges:
Es wird nicht die ganze Maschine angehoben und nach hinten bewegt, sondern nur das Heck angehoben. Vorne stützt sie sich auf die schleifende Grundplatte ab. Das Anheben des Hecks ist nötig, damit sich die Platte beim Ziehen über den Boden nicht eingräbt.
Jetzt wird nur noch eine Mechanik gesucht, die den Bagger nach vorne ankippt und nach hinten zieht und das ganze möglichst in einer kontinuierlichen Bewegung. Dies löst Martinson mit der von ihm patentierten Exzentermechanik. Die Version von 1913 ist zwar recht labberig, aber die zum „Walken“ gebrachten Draglines sind den anderen Schleppschaufelbaggern so haushoch überlegen, dass sie sich blendend verkaufen.
Denn ab jetzt benötigt die Walking Dragline keine Baggermatrazen keine Bodenpräparation keine Gleissysteme keine Hilfsmannschaft keine langen Arbeitsunterbrechungen für das Bewegen
Von der ersten Version des „Martinson Tractor“ genannten Schreitwerkes werden von 1913 bis 1925 insgesamt 234 Maschinen dieser T-Serie zwischen 1cyd. und 4cyd. Kübelvolumen gebaut und natürlich auch verkauft (Werkszulassungen zum Schönen der Absatzzahlen gibt´s erst heute bei den Autobauern ). Bis Page ab 1923 ebenfalls Walking Draglines anbot, war Monighan Monopolist für solche Walking Draglines.
Ab 1925 verbesserte Martinson sein Schreitwerk noch einmal signifikant (US Patent Nr. 1591764; eingereicht am 23.3.1926; erteilt am 6.7.1926) und entwickelte die Bauform, die bis heute gebaut wird (mit kleinen Abweichungen gegenüber den Patentzeichnungen) – die W-Serie.
Zwar gibt es inzwischen eine ganze Anzahl unterschiedlicher Exzenterschreitwerke, aber die Grundbewegung ist immer noch so, wie Martinson sie vor 100 Jahren erfunden hatte – Ankippen, Schleifen/Ziehen, Absetzen – und das macht die Sache in meinen Augen so genial.
Es gibt übrigens eine weitere Baumaschine, die die Prinzipüberlegungen zum Walking Dragline mit einer kontinuierlichen Bewegung umsetzt: Der französische Pingon-Standbagger, erfunden von Pierre Pingon (US-Patent Nr. 3142395 A; eingereicht am 24.11.1960; erteilt am 28.6.1964). Lenken und Fahren erfolgen kontinuierlich, die Antriebsorgane sind am Oberwagen angebracht und werden im Arbeitszustand hochgezogen -> Film. Der Bagger steht dann auf seinem Grundrahmen. Wie sich jeder beim Blick auf den Hydraulikbaggermarkt überzeugen kann, ist der wirtschaftliche Erfolg aber nicht vergleichbar mit den großen Walking Draglines.
Gruß Christoph P.S.: Einige interessante Links zum Thema noch: Historische Monighan 1-T Walking Dragline im Busch gerettet und eine bei Flußbaggerungen. Das immer wieder gezeigte Bild der ersten Minighan 1-T Walking Dragline mit einem Artikel von Thomas Berry von der HCEA. Und noch mal einige Geräte in Miami – neben dem Fluß, und in vollem Kübelschwung sowie beim walken über ein Feld. Auf diesem Bild sieht man eine etwas degrangierte Monighan Walking Dragline nach der Überflutung. Hier sieht man das alte Monighan-Schreitwerk in der unteren Position mit den losen Ketten. -- Mal was ganz Anderes: Marion Walking Dragline aus Constructor (Holzbaukasten) Dieser Post wurde am 15.09.2014 um 15:15 Uhr von Menzitowoc editiert. |