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26.06.2012, 21:11 Uhr
LR 120
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Ja, was wird hier alles gemacht?
Ein wenig geben ja schon die Zeitungsartikel am Anfang der Bildergeschichte Auskunft, da aber denke ich nur die allerwenigsten hier im Forum sich jemals intensiv mit der Zementherstellung auseinandersetzen mussten, hier ein paar allgemeine Vorbildinfos zum Thema: Zement wird als hydraulisches Bindemittel vorwiegend in der Bauindustrie in Mörtel und Beton genutzt. Zement wird aus gemahlenem Kalkstein und Zuschlagstoffen wie Tonerde, Sand und Eisenerz hergestellt. Beim Abbindeprozess erhärtet der Zement unter Wasserzugabe infolge einer chemischen Reaktion .
Die Herstellung von Zement aus den Ausgangsstoffen geschieht in großtechnischen Anlagen, den Zementwerken.
[url= [/url] (Phönix-Zementwerk Beckum)
Zu jedem Zementwerk gehören ein- oder mehrere Steinbrüche, in denen der Kalkstein als Ausgangsmaterial gebrochen wird. Da ein Transport des Ausbruchmaterials über weite Strecken unwirtschaftlich ist, befinden sich die Zementwerke fast immer in Nähe der Kalksteinbrüche. Der Transport des Fertigproduktes per Bahn/ Silo-LKW oder als Sackware zu den Abnehmern ist wesentlich günstiger als der Rohmaterialtransport.
Da Kalkgestein in der Erdkruste häufig vorkommt, sowohl aus erdgeschichtlich jüngeren, wie auch älteren geologischen Schichten, finden sich Zementwerke überall auf dem Globus verteilt. In Mitteleuropa sind zahlreiche Großlandschaften und Gebirgszüge durch Kalkstein geprägt, so z.B. Schwäbische und Fränkische Alb, die nördlichen Kalkalpen und die Voralpen. In Norddeutschland kommen Kalksteinvorkommen als eiszeitliche Geschiebe, z.B. im Bereich Rüdersdorf bei Berlin, vor. So konnten sich in diesen Bereichen, meist im Zuge der zweiten großen Industrialisierungswelle in Deutschland gegen Ende des 19. Jahrhunderts, entsprechend dem zunehmenden Zementbedarf (Massenwohnungsbau in den Städten, etc.) Zementfabriken ansiedelen. Hier, im Umkreis von Bielefeld gibt es einmal ca. 50km nordwestlich das Zementwerk in Lengerich (Dyckerhoff), ca. 35 km südlich in Paderborn ein Werk (Cemex) und –als Besonderheit- ca. 50km westlich das bedeutende Zementrevier im Berich Beckum / Ennigerloh mit einer Vielzahl vonWerken. Die erstgenannten Werke greifen auf Kalkstein aus einem Höhenzug des Teutoburger Waldes zurück, das Beckumer Zementrevier auf die ergiebigen Kalkstenablagerungen der Beckumer Berge. Das nächste Zementwerk in östlicher Richtung liegt ca. 100 km entfernt in der Bördelandschaft östlich von Hannover (Höver) mit Kalkmergel-Vorkommen aus eiszeitlichen Geschieben.
[url= [/url] (Cemex-Werk Beckum, gesehen aus dem Phönix-Park, einer ehemaligen Steinbruchsfläche)
[url= [/url] (Heidelberger Zement (Ex-Anneliese) in Ennigerloh)
Für Baumaschinenfreunde interessant sind natürlich die Steinbrüche der Zementindustrie mit ihrem Maschinenpark, z.B. der Liebherr 9350 in Rüdersdorf, CAT D11 in Höver, CAT 992K bei Märker in Harburg (Schwaben) und ,wenn sich die Gelegenheit bieten sollte, immer einen Besuch wert. [url= [/url]
[url= [/url] (Steinbruch Heidelberger Zement in Ennigerloh, heute leider kein Großgerät in Sicht)
Der gebrochene Kalkstein wird bereits im Steinbruch vorgebrochen und anschließend zum Zementwerk weitertransportiert und dort zwischengelagert. Zusammen mit den anderen Bestandteilen wird er dann in der Rohmühle zu Rohmehl gemahlen und getrocknet. Das Rohmühlengebäude ist auf dem Diorama ganz links als Relief zu sehen. Das Rohmehl wird in einem Silo zwischengelagert und dann mittels eines Gurtbecherwerkes dem eigentlichen Prozess der Zementherstellung, dem Sintern zu Zementklinker zugeführt.
[url= [/url] (Wärmetauscherturm der Phönix-Zementwerke, Beckum, ursprünglich Betonturm, später durch eine Stahlkonstruktion erhöht und ertüchtigt)
Dieser Prozess beginnt oben auf dem Wärmetauscherturm, dem hohen Gebäude, das aus dem Diorama bereits bestens bekannt sein dürfte. Wärmetauschertürme sind meist als Betonkonstruktion ausgeführt, neuere Türme häufig auch aus Stahl. Darin befinden sich mehrer untereinander angeordnete Zyklone , durch die von unten heiße Ofenabgase strömen und von oben im Gegenstromprinzip das Rohmehl herunterrieselt. Dadurch wird das Rohmehl vor dem eigentlichen Sinterprozess vorgewärmt, bei modernen Anlagen bereits auf bis zu 1000° C, bevor es in den Drehrohrofen, das Herzstück der Anlage gelangt.
[url= [/url] (Drehrohrofen, ebenfalls Phönix)
Der Drehrohrofen ist vom Prinzip her ein gigantisches Stahlrohr mit Auskleidung aus Feuerfest-Steinen. An der dem Ofeneinlauf entgegengesetzten Seite befindet sich der Brenner mit einer verschiebbaren Brennerlanze. Hierüber werden die zum Sintern erforderlichen hohen Temperaturen von 1450° C erzeugt. Durch die leichte Neigung und die ständige Rotation des Ofens gelangt das Material während des Brennprozesses von der Einlaufseite zum Ofenauslauf. Hierbei entsteht als Produkt der sogenannte Zementklinker, welcher später für das Aushärten des fertigen Zementes mit Wasser zuständig ist. Früher waren neben Drehrohröfen auch sogenannte Schachtöfen sowie Lepolöfen üblich. Aufgrund deren schlechterer Energiebilanz finden heute eigentlich ausnahmslos Drehrohröfen Verwendung.
[url= [/url] (Detail Ofenfundament und Laufring, Phönix, Beckum)
Der Zementklinker wird in einem dem Ofen nachgeschalteten Klinkerkühler auf etwa 200° C heruntergekühlt Dies kann auf verschiedenen Wegen geschehen, Beispielsweise mit Hilfe von Satellitenrohren eines Satellitenkühlers, wie wir ihn auf dem Diorama sehen, in welche der Zementklinker herabfällt und fern von den hohen Brennertemperaturen weitertransportiert wird. Modernere Anlagen verfügen meist über Rostkühler.
Der heruntergekühlte Klinker wird schließlich weitergefördert und in den großen Klinkersilos zwischengelagert, bevor er unter Zusatz von Additiven wie Gips und Anhydrit in der Zementmühle (Kugelmühle) zu fertigem Zement vermahlen wird. Durch weitere Zuschlagstoffe kann man die Eigenschaften der produzierten Zementsorte weiter variieren. Die Zementmühle befindet sich in dem Reliefgebäude ganz rechts auf dem Diorama. Der dort gemahlene Zement wird wieder in Silos zwischengelagert und schlussendlich als Silo- oder Sackware in den Verkauf gebracht.
[url= [/url] (Zementsilos, Heidelberger Zement, Ennigerloh)
Die Güte des hergestellten Zementes wird während des gesamten Herstellungsprozesses durch die Labore des Werkes überwacht.
[url= [/url] (Zementsilos und Bahnabtransport, ehem. Zementwerk Mark II Friedrichshorst, Beckum)
Ein wichtiger Aspekt verbleibt noch:
Zementindustrie und Umweltschutz:
Es ist noch keine 50 Jahre her, da lag über den Beckumer Dächern und Straßen ein ständiger Grauschleier, verursacht durch die Staubemissionen der umliegenden Zementwerke.
Aus diesem Grunde sind bei modernen Zementwerken aufändige Entstaubungsanlagen an allen Prozessschritten angeordnet, die für eine wirksame Filterung der aus der Anlage austretenden Luft sorgen.
Interessant in dem Zusammenhang zu wissen ist dass die ersten Filteranlagen in der Zementindustrie nicht aus Umweltschutzgründen, sondern aus wirtschaftlichen Erwägungen errichtet wurden: Es ging zu viel Material verloren J
[url= [/url] (Klinkerkühler-Entstaubung, Phönix, Beckum)
Ein anderer wichtiger Aspekt ist der hohe Energiebedarf, der für den Brennprozess sowie Mahl- und Trocknungsaufgaben in den Werken erforderlich ist. Der thermische Energiebedarf liegt heute bei rund 2800 kJ pro Tonne Zement, allerdings lag dieser noch in den 50er Jahren rund doppelt so hoch. Dazu kommen rund 100kWh elektrische Energie pro Tonne Zement. Neben der Steigerung der Energeieffizinz der Anlagen durch verbesserte Technologien, so wie auch auf der Dio-Baustelle hier) zur Verbesserung der Umweltbilanz und zur Kostenreduktion bei steigenden Energiepreisen kommt auch dem Einsatz hochkalorischer Ersatzbrennstoffe anstelle der üblichen Stein- oder Braunkohle besondere Bedeutung zu. Inzwischen tragen derartige Sekundärbrennstoffe, z.B. alte Autoreifen, zu mehr als 50% der thermischen Energiegewinnung bei. Moderne Drehrohröfen erreichen Wirkungsgrade von bis zu 70%, verglichen mit anderen Anlagen ein enormer Wirkungsgrad. CO2 wird obendrein nicht nur die Verbrennungsprozesse zur Energiegewinnung ausgestoßen, sondern zu 2/3 auch aus den chemischen Reaktionen, die im Brennprozess bei der Entsäuerung des Kalksteins entstehen. Insgesamt wird für jede Tonne hergestellten Zement über eine halbe Tonne CO2 ausgestoßen.
Zusätzlich darf man die Emissionen, die bei Gewinnung und Transport des Rohmaterials entstehen nicht außer Acht lassen. Auch Landschaftsverbrauch und -Zerstörung durch den Kalksteinabbau sind ein weiterer Aspekt.
Jetzt aber zurück zur Ausgangsfrage, was wird alles gemacht?
- Austausch des Drehrohrofens inkl. Fundamente - Austausch des Klinkerkühlers inkl. baulicher Anlagen - Entkernen des Vorwärmerturmes inkl. Einbau neuer Zyklone sowie eines Kalzinators mit Tertiärluftleitung, damit ist die Anlage technisch und energetisch auf dem neuesten Stand - Neuinstallation Kühler- und Ofenentstaubung. - Und was alles sonst noch dazu gehört, lasst Euch überraschen... |