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05.05.2010, 00:34 Uhr
robertd
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Zitat: | tom_hobby postete In Österreich wird immer noch den Dummen von den Politikern die Story verkauft, wie super die EU ist und was wir an Förderungen bekommen, ohne die irgendwelche Projekte nie was geworden wären, nur das wir auf der anderen Seite mehr Richtung Brüssel einzahlen, als wir rausbekommen, interessiert keinen Menschen. |
Naja, man muss aber schon bedenken, dass die heutige EU gerade angesichts dessen, dass ein Drittel der heutigen Mitglieder vor gerade mal 20 Jahren noch alles andere als freie Länder waren, für seine Größe ein noch recht junges Projekt ist. Die wirklichen Früchte (ob in positiver oder negativer Form) werden wohl erst die Generationen nach uns ernten. Dass bei einer Idee, von der eine Gesamtheit profitieren soll, immer einer draufzahlt, während ein anderer Nutzniesser ist, ist ja nicht nur bei der EU so. Das beginnt bei der Sozialversicherung, wo im Grunde genommen der, der sein Leben lang einzahlt der Depp ist gegenüber dem, der Arbeitslosengeld kassiert. Und das ist z.B. auch beim öffentlichen Verkehr so, wo in Wien hunderte Millionen EUR in Form von U-Bahnen im Boden verbuddelt werden, für die auch die anderen Bundesländer mitfinanzieren. Ich für meinen Teil sehe die Vorteile der EU jeden Tag. Sei es im Privatbereich, dass man schnell über die Grenze nach Deutschland fahren kann, ohne durch Grenzkontrollen zu müssen oder nur zu überteuerten Wechselkursen (bzw. im Onlinehandel zu horrenden Bankgebühren) mit der eigenen Währung zahlen zu können, oder sei es im Beruf, wo wir ohne Probleme in Ungarn, Tschechien, Slowenien, Lettland usw. arbeiten können, ohne langwierige Zoll- und sonstige Formalitäten durchführen zu müssen. Ich sehe das ganze schlicht als langfristiges Projekt, für das wir halt nun quasi die Aufbaugeneration sind - so wie unsere Eltern- oder Großelterngeneration das für den Wiederaufbau nach dem Krieg war.
Was mir persönlich viel mehr Sorgen macht ist der Zustand der Demokratie an sich, wo es mir als politisch eher wenig informierten Wähler so erscheint, dass hauptsächlich Stillstand angesagt ist. Da hat man völlig farblose Figuren a la Faymann (unser derzeitiger Bundeskanzler) an den Hebeln sitzen, die - so scheint es mir - hauptsächlich damit beschäftigt sind, in möglichst wenige Fettnäpfchen zu treten, da ja die nächste Wahl (auf Bundesebene oder in einem der 9 Bundesländer) ständig bevorsteht. Da hat man als Wähler die Wahl zwischen 4 Parteien, von denen eigentlich keine einen Deut besser ist als die andere, und von denen jede ihr Programm gerne zugunsten der Umfragewerte von heute auf morgen anpasst. Da sitzen formell irgendwelche Leute an der Macht, die heute für Finanzen, morgen für Bildung und übermorgen für Familie zuständig sind und herumgeschoben werden wie man gerade lustig ist. Besonders bemerkenswert finde ich hier wie Tom unseren....
Zitat: | tom_hobby postete Verteidigungsminister, der den Dienst an der Waffe verweigert hat; soll man dazu noch mehr sagen? |
(obwohl ich selbst Zivi war und deshalb genötigt wurde, den Dienst an der Waffe zu verweigern) Wenn dann mal gute Vorschläge kommen (wie z.B. der, alle Bundesland-Wahlen an einem gemeinsamen Datum abzuhalten, um die ständige Wahlkämpferei einzudämmen und der Politik Zeit zum Regieren zu geben), dann werden sie schon prinzipiell abgelehnt, allein schon aus dem Grund, dass sie von einer anderen Partei vorgeschlagen wurden.
Ein Beispiel, wo mich der scheinbare Stillstand jedesmal wieder unheimlich ankotzt ist (nachdem ja weiter oben gerade über Migranten geschrieben wurde) das Thema Asylpolitik. Da tauchen immer wieder mal Fälle auf, wo sich Asylverfahren über 5, 6, 7, 8 Jahre hingezogen haben und dann endlich mal eine letztinstanzliche Entscheidung vorliegt. Dann sollen plötzlich Leute abgeschoben werden, die sich schon bestens integriert und hier ein Leben aufgebaut haben, oder (was ich persönlich für erschreckender halte) Leute, die nicht integriert sind meinen, trotzdem da bleiben zu müssen. Einen Menschen so lange zwischen Himmel und Boden schweben zu lassen - das halte ich für menschenunwürdig. Man überlege mal, was man in einer Zeitspanne von 5 Jahren alles geschafft hat, gerade z.B. im Alter zwischen 20 und 25 Jahren: in der Zeit baut man sich doch sein ganzes Leben auf! Allein hier wäre schon dringender Handlungsbedarf. Es muss doch möglich sein, nach klar festgelegten Kriterien einem Asylsuchenden innerhalb vertretbar kurzer Zeit klippp und klar, und endgültig zu sagen, ob er bleiben kann oder nicht. Ebenso muss es doch möglich sein (nachdem es über Jahrzehnte leider versäumt wurde), die (vor allem sprachliche) Integration der hier lebenden Migranten zu fördern, aber auch einzufordern - mit der Konsequenz der Ausweisung, wenn die Bereitschaft zur Integration nicht besteht. Und bevor mir hier jemand Rassismus vorwirft: Ich sehe das eigentlich nicht als Schikane, sondern vielmehr als Chance für die Migranten. Gerade die Sprache ist m.E. eine ganz grundlegende Voraussetzung für Integration - schliesslich ist sie der Schlüssel zu Bildung, Kommunikation usw... wenn ich da so manche Kollegen sehe, die seit 35 Jahren bei uns arbeiten und heute immer noch nur gebrochen deutsch sprechen, und deren hier in Österreich aufgewachsene Kinder auch noch einen klar wahrnehmbaren Akzent haben, dann muss ich sagen, dass die Integration ganz offensichtlich nicht funktioniert hat.
Zu tun wäre hier also viel, nur haben wir gerade hier in Österreich keinen, der dieses Thema ernsthaft angehen will. Die einen schwingen die Ausländer-raus-Keule, und die anderen üben sich in gutmenschlicher Zurückhaltung. Und wenn dann doch jemand mal einen Vorstoß wagt, dann wird gleich wieder von allen möglichen Seiten die Rassismus-Keule geschwungen - selbst dann, wenn der Vorschlag eigentlich dazu gedacht ist, den echten, berechtigten Asylwerbern mehr Fairness zukommen zu lassen.
Ein bisschen neidisch blicke ich hier immer in Richtung Schweiz, wo zu verschiedensten Themen direkt abgestimmt wird, und somit die Regierung ganz unabhängig von Farbe und Parteiprogramm vom Volk in Teilbereichen vorgegeben bekommt, was sie zu tun hat. Irgendwie habe ich da so aus der Ferne betrachtet das Gefühl, dass manche Sachen reibungsloser funktionieren als bei uns.
So, genug geraunzt. Nun muss ich zusehen, dass ich morgen wieder Einkommenssteuern erwirtschaften kann...
gruss robert |