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13.12.2018, 14:39 Uhr
Menzitowoc
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Midland Crane Hire´s P&C Crane „Brute“ – Posting 1 von 3
Hallo,
bei den australischen, knickgelenkten Pick & Carry Cranes gab es auch immer mal wieder interessante Einzelstücke oder Kleinserien. Ein besonders Beispiel ist die Eigenentwicklung und der Eigenbau von Midland Crane Hire aus Westaustralien. Midland Crane Hire ist als eines der ersten Kran- und Schwertransportunternehmen durch Unternehmensübernahme in der Boom Logistics Gruppe aufgegangen. In der Zeitschrift „International Cranes“, April 2001, Seite 44, wurde in einem Artikel über diesen besonderen Kran berichtet.
Quelle: „International Cranes“, April 2001, Seite 44 - Direktlink zum Scan in voller Auflösung
Der damalige Unternehmenseigner von Midland Crane Hire, Ramsay Hassall, entwicklte einen 2-achsigen Knicklenkerkran mit maximal 40t Traglast. Der erste Prototyp wurde weitgehend im Jahr 2000 gebaut, jedoch wurden die ersten Konzepte dazu bereits 10 Jahre früher erdacht, also etwa ab 1990. Das muß man sich immer vor Augen halten, wenn man aus heutiger Sicht auf diese Konstruktion schaut. Zur Einordnung sollte man auch immer daran denken, dass der heutige Platzhirsch auf dem P&C Kransektor, der Franna MAC25 in seiner ersten Version erst im Jahr 1997 auf den Markt kam.
Für diese hohe Traglast wird allerdings ein großer Ballastblock am Heck benötigt. Ohne diesen Ballastblock werden Traglastwerte von maximal 25t erreicht und der Kran bewegt sich in der Klasse des Franna MAC25.
Die Besonderheiten liegen aber ehr im nicht so auffälligen Bereich:
Ausleger - Zunächst ist da der Ausleger zu nennen. Dieser besteht aus 2 Teleskopen (1. Prototyp) bzw. 3 Teleskopen (2. geplantes Exemplar) mit jeweils gerundetem Auslegerprofil, wie es auch bei den Liebherr- und DEMAG-Mobilkranen verwendet wird. Als Material kommen hochfeste Stahlbleche in Form von Weldox-900MPa und später Weldox-960MPa zum Einsatz.
Der Ausleger wird mit einem einstufigen Teleskopierzylinder mit vollständiger Seilsynchronisation ausgefahren. Die horizontale Ausladung ist beim 3-teiligen Ausleger 13,6 m (ab Vorderachsmitte) mit 7,1t Traglast und 18m Hakenhöhe bei voller 65° Auslegerneigung. Der 4-teilige Ausleger soll da eine Hakenhöhe von 24m erreichen.
Im Ausleger verlaufen Hydraulik-, Elektrik- und Elektronikleitungen zum Auslegerkopf, um dort Zusatzgeräte betreiben zu können. Geplant sind z.B. Arbeitskorb, Staplergabel, Reifenklammer, Greifer oder Containerspreader usw. Der Ausleger kann so weit abgewippt werden, dass der Fahrer im Transportzustand einen guten Blick über den Auslegerkopf hat und die Auslegerverlängerung leicht montiert werden kann. Diese „Nose-Down“ Funktionalität kennt man von europäischen CityClass-Kranen und japanischen Mini-RT-Kranen.
Zusätzlich kann am Ausleger eine wippbare Verlängerung von 2,5m Länge plus 3,5m Zusatzstück angebaut werden.
Fahrerkabine - Die Fahrerkabine ist ähnlich wie beim Franna MAC25 an der rechten Seite des Frontwagens platziert, kann aber hier beim „Brute“ zusätzlich angehoben werden, damit der Fahrer einen besseren Blick über die Last hat. An der unteren hinteren Kante der Kabine befindet sich dazu eine Hebelmechanik mit Parallelführung. Ich schätze, die Kabine kann so etwa 1,5 m angehoben werden. Mit Abgesenkter Kabine in Fahrstellung ist der Kran 3m hoch.
Chassis - Das Chassis des MCH Brute hat Breite von 3,0m und einen Radstand von 5,5 m; er ist damit sogar noch etwas länger als der aktuelle größte P&C Kran HUMMA 55 (5,3m). Der etwas kleiner HUMMA UV35-25 hat 5,0 m und der Franna MAC25 hat einen Radstand von 4,7m. Die Achsen sind hydropneumatisch gefedert und haben natürlich eine Federblockierung für den Kranbetrieb. Diese sehr moderne Achsaufhängung gab es bei den P&C Kranen erst wieder mit dem neuen HUMMA 55 ab 2017/2018. Luftfederung mit Federblockierung haben die HUMMA-Krane von Beginn an seit 1996. Franna-Krane benutzen bis heute blockierbare Blattfedern (Ausnahme: Franna AT40 mit hydro-pneumatischer Federung; bisher nur Prototypen; Erste Produktionsmodelle ab Ende 2018). Die Motorleistung beim MCH Brute war mit 230PS (170kW) so ausgelegt, dass der Kran an die 80km/h Fahrgeschwindigkeit herankam. Auch sollte beim Gewicht 12t Achslast (ohne Heckballast natürlich) erreicht werden. Da aber beim Bau des Prototypen noch nicht die geplanten leichten Achsen von Kessler zur Verfügung standen, war der Kran dann noch tatsächlich schwerer und es war eine Einzelfahrgenehmigung nötig.
Quelle: „International Cranes“, April 2001, Seite 44, Ausschnittvergrößerung mit Bild 1 Die schwach lesbaren Zahlen in der rechten unteren Ecke deute ich mal als Datum Ende November 2000.
Quelle: „International Cranes“, April 2001, Seite 44, Ausschnittvergrößerung mit Bild 2
Quelle: „International Cranes“, April 2001, Seite 44, Ausschnittvergrößerung mit Bild 3
Bedauerlicherweise war dieser Kran in einen tödlichen Unfall verwickelt, dessen technische Ursache nicht geklärt werden konnte. In einem Facebook-Kommentar ist von „roll-over“ die Rede. Ob es sich dabei um einen Umsturz beim Kranbetrieb handelt oder ein Fahrunfall, habe ich nicht herausbekommen. Deshalb wurde der Kran auch nicht mehr in Betrieb genommen. Was heute mit ihm ist, kann ich nicht sagen.
Im Zeitschriftenartikel ist auch die Rede von mindestens einem weiteren Exemplar, was zumindest geplant war. Ob wirklich zwei Krane existierten, weiß ich leider auch nicht.
Zusammenfassend sage ich, dass es sich beim Midland Crane Hire „Brute“ um einen sehr interessanten Kran mit sehr moderner Funktionalität und Bauweise handelt. Wie es scheint, war der Kran damals seiner Zeit zu weit voraus (und der ungeklärte Unfall hat sicher sein Übriges getan). Erst eineinhalb Jahrzehnte später kommt mit dem Humma 55 in diese Traglastklasse ein P&C Kran auf den Markt. Auch die hydro-pneumatische Federung mit automatischer Nivellierung kommt dort wieder zum Einsatz.
Gruß Christoph -- Mal was ganz Anderes: Marion Walking Dragline aus Constructor (Holzbaukasten) Dieser Post wurde am 13.12.2018 um 14:40 Uhr von Menzitowoc editiert. |