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16.07.2011, 16:33 Uhr
robertd
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Hallo,
zur Abwechslung mal keine Bilder von Bahnfahrzeugen, sondern ein kleiner Bericht. Ich hoffe, dass der thematisch hier gerade noch so reinpasst, ansonsten bitte löschen. Nachdem der betreffende Zug ab kommenden Dezember auch nach Frankfurt fährt, ist das ja auch vielleicht für jemanden von Euch interessant.
Seit 2008 gibt es in Österreich ja den Railjet, das neue Vorzeigeprodukt der ÖBB. Einmal abgesehen davon, dass die Wagen an sich neu sind, wurde auch eine neue Servicekategorie eingeführt: die Premium-Klasse. Ich fahre nun ausgesprochen selten, und immer in der zweiten Klasse, mit dem Zug, wollte dieses Service aber irgendwann mal ausprobieren (bevor es aufgrund des sagenhaft geringen Kundeninteresses wieder abgeschafft wird). Heute hat sich die Gelegenheit ergeben, also hab ich mir den Spaß mal gegönnt. Die erste Besonderheit ergibt sich bereits am Fahrkartenschalter in St. Pölten: Der Verkauf eines Premium-Fahrscheines ist offenbar zwingend mit einer Reservierung verbunden - allerdings befindet sich mein Zug bereits auf der Strecke, und es kann somit nicht mehr reserviert werden. Ich erhalte also nur einen Fahrschein für die erste Klasse (über den Preis denkt man als Vollzahler ohne Rabattkarte lieber nicht nach) und muss die 25 EUR Premiumzuschlag dann im Zug bezahlen. Auf meine Nachfrage meint die freundliche Mitarbeiterin, dass freie Plätze sicher kein Thema seien. Zur fahrplanmäßigen Zeit kommt der Zug mit Fahrtrichtung München dann auch an und hält punktgenau, sodass ich von meinem aufgrund des Wagenstandsanzeigers geschätzten Standpunkt direkt in die Premium-Klasse einsteigen kann. Wie zu erwarten war, ist die Platzsuche tatsächlich kein Problem: alle 16 Premium-Plätze sind frei, und so suche ich mir den mit der Nummer 16 aus. Die lederbezogenen Sitze lassen beinahe keinen Wunsch aus - abgesehen davon, dass man sie nicht zu einem Bett flachlegen kann, bieten sie so ziemlich alle Möglichkeiten. Die Beinfreiheit ist beinahe schon unanständig und dürfte selbst Mitmenschen mit 2,50 m Größe ausreichen - die Fläche, die die 16 Premium-Class Sitze belegen, bietet in der Economy-Class (sprich: 2. Klasse) immerhin Platz für 42 Passagiere (btw: wer die früher mal unter www.railjet.at herunterladbaren Typenpläne der Railjet-Wagen haben will, der melde sich bitte bei mir). Abteile sucht man, wie im ganzen Zug, vergeblich, was hauptsächlich durch Kostengründe verursacht sein dürfte. Allerdings sind die einzelnen Sitzgruppen durch beinahe raumhohe Trennwände voneinander abgeschirmt, wodurch beinahe der Eindruck eines Abteils entsteht. Wenn man zwischendurch mal den Ruf der Natur verspürt, so gibt es gleich nebenan auch eine Toilette, die mehr oder weniger exklusiv für die Premium-Class da ist, und somit auch durch Sauberkeit glänzt (Tipp für 1.-Klasse-Fahrer im Railjet: wer ein sauberes Klo sucht geht einfach ganz durch die Premium-Class durch bis ans Ende des Steuerwagens ). Nachdem der Zug seine Fahrt zum nächsten Halt Linz aufgenommen, und Chris Lohner (die freundliche Stimme der ÖBB) die zugestiegenen Fahrgäste willkommen geheißen hat (nicht ohne zu erwähnen, dass man auf 80 Bildschirmen über den Fahrtverlauf informiert wird), kommt der Steward, den ich mangels anderer Premium-Fahrgäste quasi für mich allein habe (wobei diese meines Wissens wegen des mangelnden Zuspruchs inzwischen immerhin nicht mehr ausschließlich für die Premium-, sondern auch für die First-Class zuständig sind). Nachdem er sich vergewissert hat, dass ich auch wirklich Premium fahren will und entsprechend bezahlt habe bzw. in diesem Fall noch werde, bringt er mir zunächst mal, wie aus dem Flugzeug bekannt, ein heisses Handtuch zur Erfrischung. Ausserdem stellt er sich namentlich vor und erläutert mir das Angebot: Es gibt sowohl kostenlose Getränke als auch Speisen, die er mir gerne zum Platz bringt. Ich bestelle erst einmal eine heiße Schokolade (ja, ich bin der einzige Mensch, der keinen Kaffee trinkt) und ein (ja, ein - nicht eine) Cola. Diese Getränke erhalte ich umgehend (sorry für die Unschärfe - sind nur Handybilder), und werde gefragt, ob es denn eine Kleinigkeit zum Essen sein darf. Es darf, also bekomme ich erklärt, dass eine 4-gängige Folge verschiedener Snacks im Angebot ist, die man gerne so nach und nach servieren wird. Dieses Angebot nehme ich natürlich gerne an, und nachdem sich der Steward zwecks zeitlicher Einteilung der Gänge erkundigt hat, wo ich aussteige, werden in etwa halbstündlichem Abstand die einzelnen "Gerichtchen" serviert:
- Krautröllchen mit Kartoffeln und Tomatensauce - Eine Suppe (war es Oregano? - kann mich nicht mehr erinnern) mit Antipasti und Mozarella - Garnelen in Blätterteig mit Gemüse und Senfsauce - sowie ein Stück Kuchen, zu dem ich mir noch eine heiße Schokolade genehmige.
Alle Gerichte sind geschmacklich und vom Frischeeindruck einwandfrei (wobei ich zugegebenermaßen eher ein Gourmand als ein Gourmet bin). Auch die zeitliche Abfolge ist gut abgestimmt - den Kuchen bekomme ich ca. 20 Minuten vor meinem Ziel serviert, und rechtzeitig vor der Ankunft wird abserviert. In Salzburg angekommen steige ich ausgeruht und satt, aber nicht überfüllt aus.
Fazit: Die Fahrt in der Premium-Class des Railjet ist ein Komfort, der durchaus gefallen zu weiß, und, im Gegensatz zur First Class im Flugzeug, auch für Normalsterbliche ausnahmsweise mal leistbar ist. Garantiert ist auch die Ruhe - zum einen durch die geringe Belegung, und zum anderen dadurch, dass die eigentliche Zielgruppe wohl eher bei Geschäftsleuten zu suchen ist (wobei: wenn die dann telefonieren, dann ist es aus mit der Ruhe). Nicht geeignet ist das Ganze somit für allein reisende Menschen, die Zugfahrten auf kommunikative Weise verbringen wollen Brauchen würde ich diesen Service nicht, weshalb ich auch zukünftig wieder zweite Klasse fahren werde. Wie die Auslastung zeigt, scheint auch die eigentliche Zielgruppe mit der normalen Ersten Klasse zufrieden zu sein, weshalb auch noch zu liefernde neue Railjet-Garnituren keine Premium-Class mehr erhalten werden.
gruss robert Dieser Post wurde am 16.07.2011 um 16:39 Uhr von robertd editiert. |