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31.10.2018, 09:55 Uhr
Menzitowoc
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Hallo,
erstmal einen großen Danke an Hendrik (Posting Nr. 419 bis 421 - Transportstellung), Ralf (Posting Nr. 405 - Detailbildern) und Hermann (Posting Nr. 394 - übergeklappten Ausleger) für die vielen Bildspenden zur Potain HUP-Serie.
Die Potain HUP-Baureihe lässt mich etwas ratlos zurück. Es sind bei diesen Kranen allerhand sehr bemerkenswerte Ideen verbaut worden, die man ganz allgemein für neue Untendreher-Selbstmontage-Krane im Hinterkopf behalten sollte. Im Zusammenspiel der einzelnen Konstruktionelemente kann ich aber immer noch nicht so ganz die Vorteile gegenüber einer ehr konventionelle Konstruktion erkennen.
Zu den Einzelheiten:
Auslegerfaltung – Die Bauweise mit seitlich gestautem Ausleger – siehe insbesondere Hendrik´s Transportbilder – finde ich eine sehr gute Idee, denn gerade bei großen Selbstmontagekranen ist der Bauraum nach oben beim Transport sehr beschränkt. Auch ist es damit möglich, eine vollständige Rollfaltung des Auslegers ohne komplizierten Querversatz der Auslegerelemente zu realisieren – alle Auslegerelemente liegen einfach übereinander. Die Rollfaltung ist deswegen aus meiner Sicht so wünschenswert, weil nur damit ein sukzessives Auffalten des Auslegers im aufgebauten Zustand möglich ist und der Kran mit 1/3-, 2/3- oder 3/3-Ausleger arbeiten kann (bei 3-teiligem Ausleger) – siehe auch Hermann´s Bilder mit einem Potain-HUP bei der Arbeit mit vollständig eingefaltetem Ausleger. Auch ein Wechseln zwischen den Auslegerlängen ist im Betrieb jederzeit möglich, da der Ausleger nicht abgelassen oder sonstwie außer Betrieb genommen werden muß
Auslegerabspannung – Beim Ausleger bzw. bei der Auslegerabspannung hat sich Potain für eine teilweise Biegebalkenkonstruktion entschieden. Da die Betonung hier auf „teilweise“ liegt, kann ich nicht wirklich den Vorteil der gewählten Konstruktion erkennen. Als Auslegeranlenkstück wird eines mit sehr hohem Querschnitt verwendet. Die beiden weiteren Querschnitte sind dann ehr üblich hoch, benötigen dafür aber eine Zwischenstütze. Mit dieser Zwischenstütze wird die Gesamthöhe der Auslegerkonstruktion für eine Biegenbalkenkonstruktion schon recht hoch und unterschiedet sich nicht mehr sehr wesentlich von einer konventionellen Abspannkonstruktion. Damit kommt das Argument für den Biegebalkenausleger – leichtere Höhenstaffelung bei mehreren überschwenkenden Kranen durch geringeren Höhenabstand – nicht wirklich zum Tragen. Nur mal so zum Vergleich (beide Krane haben jeweils 3-teilige Ausleger mit 40,0m Länge): Beim konventionell konzipierten Potain IGO 50 beträgt der Abstand zwischen höchster Hakenhöhe und Oberkante Abspannlenker 5,5m (26,3 m – 20,8 m) beim Potain HUP 40-30 ist dieses Maß 5,0 m (32,0 m – 27,0 m). Zumindest bei diesem Maß sehe ich jetzt keinen signifikanten Unterschied, der den Vorteil der neuen Auslegerkonstruktion erklären könnte. Lediglich beim Einsatz mit kurzen 1/3-Ausleger ist ein deutlicher Höhenvorteil beim Potain HUP gegeüber einem Potain IGO erkennbar – siehe Hermann´s 2. Bild. Da beim IGO das Restauslegerpaket im Betrieb über die Lenkerspitze geklappt wird, ist dort die Gesamthöhe mit kurzem Ausleger sogar höher als bei langem Ausleger.
Turmsystem – Potain verwendet bei der HUP-Serie eine Kombination aus hydraulischem Vollwand-Faltturm und Teleskopturm, eine Grundidee, die bereits von den großen Boilot-Kranen bekannt ist, dort aber als Vollständige Gitterkonstruktion ausgeführt. Die Höhenvariation durch den zusätzlichen Teleskopausschub des oberen Turmteils liegt je nach Auslegerkonfiguration zwischen 3,3 m und 4,0 m. Meiner Meinung nach ist das kein so großer Höhenunterschied, dass es so eine Turmkonstruktion rechtfertigt. Diese geringe – und zudem fixe – Höhenvariantion ist vielleicht vorteilhaft, wenn mehrere HUP-Krane auf einer Ebene nebeneinander stehen. Dann reicht so eine geringe Differenz aus, um die Ausleger übereinander hinwegzuschwenken. Mit der Kombination von Teleskop- und Faltturm, wie sie hier vorliegt, handelt man sich doch eingentlich nur die Nachteile von beiden Systemen ein, ohne die klar vorhandenen Vorteile ausschöpfen zu können: Der Faltturm ist leicht spielarm zu konstruieren und auch bei geringem Querschnitt in allen Richtungen recht steif; dafür benötigt er mehr Stauvolumen, weil beide Teile eben übereinander geklappt werden. Außerdem ist die TUrmhöhe natürlich fix.
Der Teleskopturm ist höhenvariabel und mit mehreren Zwischenstufen konstruierbar, um viele verschiedene Höhen einstellen zu können. Durch das ineinanderschieben der Teile ist er recht platzsparend zu Transportieren. Die Vorteile werden aber mit den klaren Nachteilen erkauft, dass es deutlich schwieriger ist, ihn spielfrei aufzubauen und kleinere Fertigungstoleranzen sind erforderlich. Auch die Teleskopiermechanik bzw. –hydraulik ist nicht ganz einfach zu bauen.
Bei Boilot war damals die Motivation für diese Bauweise sicher etwas anders: Das Krankonzept war bewährt und sollte beibehalten werden, allerdings war eben ein höherer Turm gefordert, ohne allzuviel ändern zu müssen. Da lag ein Teleskop im oberen Turmteil recht nahe. Bei Potain hat man einen komplett neuen Kran konzipiert und verfügt sowohl über Erfahrung mit Falttürmen, also auch mit Teleskoptürmen.
Transport – Eigentlich hätte ich jetzt erwartet, dass durch die verschiedenen konstruktivnen Besonderheiten deutliche Verbesserungen bei den Transportabmessungen erreicht werden können, insbesondere bei der Transporthöhe. Ein Vergleich zwischen Potain IGO 50 und Potain HUP 40-30 ist für mich dabei etwas ernüchternd: Transporthöhe in der Sattelschlepperkonfiguration mit jeweils 0,7 m Bodenfreiheit unter Unterwagen ist 3, 8 m bei HUP versus 4,0 m beim IGO. 20 cm können zwar in einigen Situation schon einen ziemlichen Unterschied machen, aber ich hätte durch das Nebenanderstauen von Turm- und Auslegerpaket mehr erwartet.
Obwohl hier viele gute Ideen verbaut sind, kommt der Potain-HUP in meinen Augen nicht an die konstruktive Klarheit (und Eleganz) eines Potain IGO heran.
So, dass waren meine Gedanken zu dem Potain-HUP-Konzept. Mich würden Eure Überlegungen interessieren. Ich hoffe, wir können darüber hier schreiben, ohne dass wieder der Eiserne Forenbesen zum Einsatz kommen muß.
Gruß Christoph -- Mal was ganz Anderes: Marion Walking Dragline aus Constructor (Holzbaukasten) Dieser Post wurde am 31.10.2018 um 10:04 Uhr von Menzitowoc editiert. |